«Faire une architecture, c’est faire une créature», schreibt Le Corbusier 1955 in seinem Lithographien-Portfolio «Le poème de l’angle droit» – zu bauen bedeute, ein Wesen zu erschaffen, dem Bau Körperlichkeit zu verleihen und sich so über das bloss Nützliche zu erheben. Mit dieser Haltung zielt LC auf «den höchsten Wert des Lebens: die Poesie». Dabei verlässt sich der Architekt Le Corbusier auf den Künstler Le Corbusier: Dessen beharrliche Ausübung der Kunst um ihrer selbst willen, das tägliche Ringen im Atelier um Form, Proportion und Harmonie helfen dem Architekten bei der Suche nach dem ästhetischen Ausdruck.
Schon zu Beginn seiner Karriere, Anfang der 20er-Jahre , ist es für Le Corbusier unmöglich, zwischen Architektur und Malerei zu trennen. Für ihn sind das zwei Ausdrucksmittel, die beide auf der Raumaufteilung beruhen. Die grundsätzliche Frage der Raumaufteilung – jene eines Hauses wie jene in der Stadt – ist es nun zunächst auch, die ihn angesichts der anbrechenden Moderne umtreibt. Er erkennt die neuen technischen Entwicklungen und ökonomischen Bedingungen, die sich im Zeitalter der Maschine und der Massenproduktion ergeben, genauso wie die sich dadurch wandelnden Bedürfnisse des Individuums und die neuen Möglichkeiten der Konstruktion.
Die Schlüsse, die Le Corbusier im Bewusstsein dieser Umwälzungen zieht, stellen die Architektur auf ein neues Fundament: Alles Herkömmliche verwerfend, ersetzt er es mit Antworten auf Fragen, die vor ihm in dieser radikalen Kohärenz noch nicht einmal gestellt wurden. «Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen», schreibt er 1921 – und meint damit nichts anderes, als dass ein Haus streng nach der Skala der menschlichen Bedürfnisse geplant werden soll, klar gegliedert, funktional, das Individuum bergend.
Schon Ende der 20er-Jahre jedoch mögen ihn sein Purismus und das Streben nach optimalem Einsatz sämtlicher Ressourcen nicht mehr zu befriedigen. Entgegen dem Zeitgeist beginnt er, statt die formale Harmonisierung die Spannung zwischen Baukörpern zu betonen, die er nicht mehr typisiert, sondern ihnen eine ausgeprägte plastische Form gibt. Organisches zieht sich von nun an durch sein Werk, er komponiert und moduliert, das Poetische gewinnt an Bedeutung, haucht der Moderne Leben ein.
T. Rabara
Le Corbusier 1947 am Entwurf des
Uno-Hauptquartiers arbeitend.
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